Die soziale Rolle ist ein dem Theater entlehnter Begriff der Soziologie und Sozialpsychologie. Laut Definition des US-amerikanischen Anthropologen Ralph Linton (1936) stellt die soziale Rolle die Gesamtheit der einem gegebenen Status (z. B. Mutter, Vorgesetzter, Priester etc.) zugeschriebenen „kulturellen Modelle“ dar. Dazu gehören insbesondere vom sozialen System abhängige Erwartungen, Werte, Handlungsmuster und Verhaltensweisen. Diesen Anforderungen muss sich ein [[Akteur#Soziologie|Sozialer Akteur]] entsprechend seiner [[Soziale Position|Position]] stellen. Die “’Rollentheorie“‘ beschreibt und erklärt einerseits die [[Rollenerwartung]]en und -festlegungen und andererseits, welche Spiel- und Handlungsfreiräume dem Individuum und sozialen Gruppen in einer Rolle offenstehen. Sie beschäftigt sich damit, wie gesellschaftlich vorgegebene Rollen erlernt, verinnerlicht, ausgefüllt und modifiziert werden. Unabhängig von der sozialen Rolle bewirkt im [[Beruf|Berufsleben]] die zugewiesene [[Arbeitsteilung|operationelle Rolle]] aufgrund von [[Qualifikation (Personalwesen)|Qualifikation]]en eine die Arbeitsteilung bestimmende Unterscheidung. == Definitionen == {{Belege fehlen}} “’Rolle/Position:“‘ Eine Rolle wird von einem Menschen erwartet, der zu einem bestimmten Zeitpunkt bzw. zu einer bestimmten Situation sich an die Gesellschaft anpassen soll. Die Rolle bezieht sich auf die Position, da ein Individuum sich erst in eine Position einfinden muss, um dann anschließend die Rolle anzunehmen. Daraus kann man erkennen, dass der Mensch ein soziales Wesen ist, da er sich an die Rollenerwartungen anpasst. Man kann dies an sich selbst herausfinden, indem man das Verhalten derselben Person z. B. auf dem Sportplatz und auf der Arbeit oder Schule beobachtet, hier sind meistens Unterschiede zu erkennen. “’Zugewiesene Position:“‘ Eine zugewiesene Position erlangen wir durch nicht eigenes Zutun. Das heißt soviel, dass wir für diese Position nichts machen, um sie einzunehmen. Eine zugewiesene Position ist z. B. die Hautfarbe, die ethnische Herkunft, das Alter oder das Geschlecht. “’Erworbene Position:“‘ Eine erworbene Position können wir nur durch unser eigenes Handeln erlangen. Das heißt, dass wir uns selbst anstrengen müssen, eine bestimmte Position zu erlangen. “’Status:“‘ Der Status wird nach Kriterien wie z. B. dem sozialen Status, ob man reich oder arm ist, wie gebildet man ist, etc., zugewiesen. “’Bezugsgruppen/Rollenerwartungen:“‘ Je nach Individuum gibt es verschiedene Bezugsgruppen. An dem Beispiel eines Lehrers kann man mehrere Bezugsgruppen erkennen, zum einen die Schüler, der/die Vorgesetzte/-n und die Eltern der Schüler. Natürlich haben alle Bezugsgruppen spezielle Erwartungen. Die Schüler wollen, dass der Unterricht nicht langweilig ist und dass sie gute Noten bekommen, der/die Vorgesetzte/-n wollen, dass der Lehrer den Lehrplan einhält und pünktlich zum Unterricht kommt, und die Eltern der Schüler wollen, dass die Schüler etwas lernen und gute Noten nach Hause bringen. “’Sanktionen:“‘ Bei Sanktionen unterscheidet man positive und negative Sanktionen. Positive Sanktion ist z. B. ein Bonus oder eine Beförderung, negative Sanktionen sind Bestrafungen o. ä. “’Rollenkonflikt:“‘ Ein Rollenkonflikt ist ein Konflikt zwischen den Bezugsgruppen eines Individuums. Hierbei will (Beispiel Lehrer) der Lehrer die Erwartungen aller erfüllen, obwohl dies sehr schwer ist. Dadurch, dass sich die Erwartungen meist widersprechen und der Lehrer diese nicht einhalten kann, befindet er sich in einem Rollenkonflikt. “’Rollensegment:“‘ Ein Rollensegment ist die Erwartung einer Bezugsgruppe. “’Intrarollenkonflikt:“‘ Dies ist ein Konflikt zwischen den Rollensegmenten. “’Interrollenkonflikt:“‘ Dies ist der Widerspruch zwischen zwei Rollen bei einem Menschen. “’Rollensatz:“‘ Ein Rollensatz ist die Zusammenfassung aller Positionen, die ein Mensch haben kann. == Zur Geschichte der Rollentheorie == Eine erste soziologische Bestimmung traf 1887 [[Ferdinand Tönnies]] in “[[Gemeinschaft und Gesellschaft]]“ (3. Buch, § 2), wo er den Menschen als soziale „Person“ und Träger von (sozial differenzierten, “siehe“ unten) Rollen beschrieb, der die „Gesellschaft“ mit anderen “zu eigenem Vorteil“ [[Wille#Zum Begriff des Willens in der Soziologie|willentlich]] sucht; sein Begriff näherte sich [[Karl Marx|Marx‘]] „[[Charaktermaske]]“ an: “Zum Begriff der Person kann von keinen anderen empirischen Subjekten abgezogen werden, außer von den einzelnen Menschen, welche begriffen werden, insofern als jeder ein […] in Gedanken wollender ist, folglich gibt es insoweit wirkliche und natürliche Personen, als Menschen vorhanden sind, welche sich als solche vorstellen, diese „Rolle“ übernehmen und spielen, oder den „Charakter“ einer Person wie eine Maske vor ihr Antlitz halten.“ Dem Begriff „Person“ stand bei Tönnies sein Begriff des „[[Selbst#Selbst als soziologischer Begriff|Selbst]]“ gegenüber: Letzteres benennt das Selbstbild des Einzelnen, insofern er die „Gemeinschaft“ mit anderen sucht, um sich ihr willentlich einzuordnen, ist also eher mit der „kulturellen Rolle“ (“siehe“ unten) zu verbinden. Einen weiteren Beitrag lieferte [[Georg Simmel]] in seiner Unterscheidung von organischen und rationalen Kreisen, in die das Individuum eingebettet ist. In erstere werden Menschen hineingeboren, sie stellen Forderungen; die zweiten sind selbstgewählt. Das Individuum stellt sich als „Kreuzung“ sich überschneidender Kreise dar. Daraus resultiert auch die Einmaligkeit des Individuums, da kein zweites über das gleiche Set von positionsspezifischen Teilhaben an sozialen Kreisen verfügt. Gesellschaft prägt einerseits das Individuum und ist andererseits ein [[Emergenz|emergentes Phänomen]], das aus Beziehungen der Akteure erwächst. Zudem sind die Relationen durch eine Mischung aus Wissen und Nichtwissen über den anderen gekennzeichnet, so dass man das Bild vom anderen durch spekulative Deutung erschließen muss. === Sozialpsychologischer Ursprung === Jedoch wurde das Konzept der „Rolle“ [[Sozialpsychologie|sozialpsychologisch]] erst von [[George Herbert Mead]] nachhaltig eingeführt, der die These aufstellte, dass man kooperatives [[soziales Handeln]] nur dann ausbilden könne, wenn man lerne, sich selbst “„{{lang|en|in the rôle of the other person}}““ hinein zu versetzen. Dies lernt nach Mead bereits das Kind mit Hilfe seiner [[Rollenspiel (Spiel)|Spiele]] und der Nachahmung bestimmter „sozialer“ Rollen der Erwachsenen, also durch ein “„{{lang|en|rôle taking}}““. Die [[Sozialisation]] erfolgt durch die [[Soziale Interaktion|sozialen Interaktionen]] in den [[Soziale Gruppe|Gruppen]] (“„{{lang|en|[[peer group]]s}}““) seines Umfeldes. === Angelsächsische Soziologie === In der Soziologie begründete Ralph Linton 1936 die Rollentheorie (“{{lang|en|The Study of Man}}“), wobei er [[Sozialer Status|Status]] und Rolle miteinander verknüpfte. Beide sind demzufolge durch die [[Struktur (Soziologie)|soziale Struktur]] bestimmt. Nach Linton verfügt ein Individuum über mehrere Statūs, wobei jedem Status eine bestimmte Anzahl von Rollen zugeschrieben wird. Das Individuum gleicht diese Rollen mit der Zeit einander an, um [[Rollenkonflikt]]e zu vermeiden oder zu lösen. In Lintons vereinfachender Theorie gibt es keine dem [[Soziales System|sozialen System]] innewohnende Dynamik, die zur Entstehung von Rollenkonflikten führen könnte. Diese entstehen immer auf Grund externer Faktoren (z. B. räumliche Mobilität des Individuums oder technischer Fortschritt). [[Talcott Parsons]] übernahm Lintons Ansatz und beschrieb mit Hilfe seiner “„{{lang|en|[[pattern variables]]}}““ die Handlungsalternativen, die einem Akteur in einer gegebenen Rolle zur Verfügung stehen. Sein Schüler [[Robert K. Merton]] entwickelte auf dieser Grundlage ein mehrdimensionales [[Modell]]. Bei ihm entspricht jedem Status ein “„{{lang|en|role set}}““, das heißt ein Bündel an verschiedenen Rollen; jedes Individuum verfügt auch über ein “„{{lang|en|status set}}““, das heißt ein Bündel an verschiedenen Statūs. Diese kommen Merton zufolge dadurch zustande, dass sich ein Akteur in verschiedenen gesellschaftlichen Subsystemen oder [[Institution]]en bewegt. Die Art und Weise, wie alle Individuen alle ihre Statūs und die damit einhergehenden Rollen gestalten, bildet wiederum die [[Struktur (Soziologie)|soziale Struktur]]. Merton interessierte sich insbesondere dafür, wie die Individuen vorgehen, um nicht ständig [[Sozialer Konflikt|Konflikte]] auszulösen. Eine weiter gehende Rollendebatte fand in der angelsächsischen Soziologie nicht statt. Jedoch gab es bedeutende Einzelbeiträge, etwa die Theateranalogie von [[Erving Goffman#Grundannahme|Erving Goffman]] oder die Diskussion über Mertons Thesen von [[Rose Laub Coser]]. === Deutsche Soziologie === In der Bundesrepublik Deutschland nahm [[Ralf Dahrendorf]] die US-amerikanische Debatte auf und legte 1958 sein Werk “{{lang|la|[[Homo sociologicus]]}}“ vor. Damit führte er das Konzept der „sozialen Rolle“ in die deutsche Soziologie ein. Hieraus ergab sich eine lebhafte theoretische Debatte, teils im Sinne einer Erweiterung des Konzeptes, teils auch in Folge seiner [[Erkenntnistheorie|erkenntnistheoretischen]] Anmerkung, dass ein “homo sociologicus“, wenn man sich seine Rollen weg dächte, gleichsam ein „[[Der Mann ohne Eigenschaften|Mann ohne Eigenschaften]]“ sei, für den die Gesellschaft ein „“[[Ärgernis]]““ sein müsse. Hervorzuheben sind die Beiträge von [[Erhard Roy Wiehn|Erhard Wiehn]], [[Judith Jánoska-Bendl]] und [[Heinrich Popitz]], auf die Dahrendorf in späteren Auflagen seiner Arbeit einging. Nach 1968 kam es auch zu zahlreichen [[Marxistische Soziologie|marxistischen]] Versuchen, den konkurrierenden Ansatz der Rollentheorie zu widerlegen. [[Dieter Claessens]] erweiterte 1968 in “Rolle und Macht“ die Analyse der vorzugsweise behandelten beruflichen und organisatorischen Rollen auf die [[Biosoziologie|biosozialen]] Rollen. [[Uta Gerhardt]] bezog 1971 unter Berufung auf [[Georg Simmel]] auch die kulturellen Rollen mit ein. Mit Gerhardts erschöpfender Habilitationsschrift “Rollenanalyse als kritische Soziologie“ endete der Grundsatzstreit. Längst wurde der Ansatz [[Empirische Sozialforschung|empirisch]] verwendet, etwa in [[Kurt Holm]]s [[Industriesoziologie|industriesoziologischer]] Untersuchung des [[Meister|Werkmeisters]]. Der eher [[essay]]istische Versuch einer ganz neuen Theorie von [[Gottfried Eisermann]] – in “Rolle und Maske“ – blieb folgenlos, wohl auch, weil er als [[Vilfredo Pareto|Paretianer]] in den herrschenden Diskursen alleinstand. “Zu inhaltlichen Beiträgen der genannten Autorinnen und Autoren siehe unten [[#Soziologische Rollentheorie|Soziologische Rollentheorie]].“ == Begriffsbenutzung und Theorie der sozialen Rolle == === Umgangssprache === Dass jemand oder auch etwas „eine Rolle spiele“, ist gegenwärtig eine alltägliche Redensart. Sie meint, zu einem Auftritt, einer Veranstaltung oder „[[Szene (Volkskunde)|Szene]]“ dazuzugehören, nicht selten betont: dabei wichtig zu sein. Beispiel: “Komm doch im Hemd, spielt sowieso keine Rolle.“ Ein Beispiel für die entsprechende Verwendung von „soziale Rolle“ wäre: „“In der [[Gruppe 47]] spielte [[Hans Werner Richter]] eine viel stärkere soziale als künstlerische Rolle.““ Die Wendung „“eine Rolle spielen““ hat inzwischen (2008) in der Alltagssprache mehrere unterschiedliche Bedeutungen: * „wichtig sein“ bzw. verneint: „unwichtig sein“ – meist mit dem Zusatz „wichtig“, „bedeutend“, „besonders“ o. ä. Beispiel: “„Auch der Tourismus spielt eine wichtige Rolle.““ * eine Eigenschaft haben – Beispiel: “„Neben seiner Rolle als Marker für das direkte Objekt steht der Akkusativ bei einigen Präpositionen.““ * eine „[[Funktion (Objekt)|Funktion]]“ erfüllen – Beispiel: “„…, ohne dass bei ihrem Zustandekommen die Erfahrung eine Rolle gespielt hätte.““ (vgl. Relevanz) === Literarische und bildnerische Vorwegnahmen === Von [[Shakespeare]] stammt der bekannte Ausspruch: „“{{lang|en|All the world’s a stage.}}““ (“„Die ganze Welt ist eine Bühne““). Auf den späteren soziologischen Begriff der „Rolle“ weisen Theaterstücke hin, in denen ein „Stück im Stück“ dargestellt wird, wenn Schauspieler eine Rollenfigur spielen, die ihrerseits eine Rolle spielt. So bereits um 1600 in Shakespeares “[[Hamlet]]“. Shakespeare reflektiert dies sogar, denn er lässt die Figur des Hamlet angesichts des vorgeführten Tränenausbruchs eines Schauspielers nachdenklich fragen: „“Was ist ihm [[Hekuba]], dass er um sie sollt’ weinen?““ Auch in anderen literarischen Werken lässt der Autor die Protagonisten ihre Rollen problematisieren. Auch in den Bildenden Künsten wird diese reflexive Rolle nicht selten dargestellt (“vgl.“ die sogar doppelte Beobachterrolle in der Abbildung links). === Soziologische Rollentheorie === In der [[Soziologie]] wird unterschieden zwischen: kulturellen Rollen, die die jeweilige [[Kultur]] dem Individuum zuschreibt (“die Priesterin“, “der Patriarch“), [[Soziale Differenzierung|sozialen Differenzierungen]] (“die Physiklehrerin“, “der Industriemeister“), [[situation]]sbezogenen Rollen wie “ Augenzeugin“, “Aufzugfahrer“ und [[Biosoziologie|biosoziologisch]] begründeten Rollen, z. B. “die Dicke“, “der Albino“. [[Geschlechterrolle]]n werden je nach Standpunkt als soziale Rollen oder biosoziologische Rollen oder eine unterschiedlich gewichtete Verbindung beider Rollenmodelle beschrieben. Soziale [[Akteur]]e befinden sich ihr Leben lang in unterschiedlichen sozialen Rollen; mitunter agieren sie in mehreren Rollen gleichzeitig in sozialen Umfeldern, die sich nur in geringem Maße überschneiden. Im Laufe der [[Sozialgeschichte]] entstehen neue soziale Rollen, [[Sozialer Wandel|wandeln]] sich und gehen unter. Das Rollenhandeln wird von folgenden Aspekten beeinflusst: * Die [[Soziale Norm|Normen]], die eine Position determinieren, * eine Reihe von fremden oder eigenen [[Erwartung (Soziologie)|Erwartungen]], die an einen Akteur in einer bestimmten sozialen Position gestellt werden “siehe auch“ [[Rollenerwartung]], * die positiven und negativen [[Soziale Sanktion|sozialen Sanktionen]], mit denen andere Akteure einen Rollenspieler beeinflussen wollen und können. An diesen drei [[Sozialer Tatbestand|sozialen Tatsachen]] orientieren Akteure offen oder verborgen ihre eigenen Handlungen und bewerten Beobachter sowie die Handlung anderer. [[Heinrich Popitz]] definiert soziale Rolle entsprechend als Bündel von [[Verhaltensnorm]]en, die eine bestimmte Kategorie von Gesellschafts- bzw. [[Soziale Gruppe|Gruppenmitgliedern]] im Unterschied zu anderen Kategorien zu erfüllen hat. Verhaltensnormen sind dabei Verhaltensweisen, die von allen oder einer bestimmten Kategorie von Gesellschafts- oder Gruppenmitgliedern in einer bestimmten Konstellation regelmäßig wiederholt und im Fall der Abweichung durch eine negative Sanktion gegen den Abweichler bekräftigt werden. Die Rolle klassifiziert somit die Stellung des Rolleninhabers in einem sozialen Gefüge mit bestimmten Rollenerwartungen, die sich von den Bezugsgruppen (“[[Peergroup]]s“) ableiten. Die verschiedenen Bezugsgruppen stehen dabei ebenfalls in Interaktion miteinander, und deren Rollensegmente (Erwartungen einer Bezugsgruppe) können miteinander harmonisieren oder im [[Rollenkonflikt|(Rollen-)Konflikt]] miteinander stehen. Eine große soziale Kompetenz einer Rolle ist die [[Empathie]], welche das Einfühlungsvermögen und somit die Berechenbarkeit einer anderen Rolle nutzbar machen kann. Das Ausmaß individueller Ausgestaltungsmöglichkeiten und Freiheitspielräume innerhalb von sozialen Rollen wird in der Forschung kontrovers diskutiert. Die soziale Einbindung und wechselseitige Abhängigkeit spiegelt sich auch im [[Menschenbild]] der Psychotherapie: Der Mensch, der „Hauptakteur auf der Bühne des Lebens [,…] kann seine Geschichte nicht spielen ohne seine Mitspieler, die ihm seine Rolle zugestehen“. ==== Einzelthemen der Rollentheorie ==== ===== Kulturelle Rollen ===== Kulturelle Rollen wirken im [[Alltag]]sleben als „Selbstverständlichkeiten“ und werden oft erst durch starke Brüche, wie Umwandlung politischer Systeme, Stiftung von [[Religion]]en oder durch politische und [[Sozialer Konflikt|soziale Konflikte]] bewusst und disponibel. So wurden zum Beispiel in der [[Spätantike]] durch das [[Christentum]] die [[Sklave]]n zu „[[Mensch]]en“ aufgewertet, denn auch für die [[Erlösung]] ihrer Seelen sei Jesus gekreuzigt worden. Durch die [[Frauenbewegung]] sind die als „[[Weiblichkeit|weiblich]]“ oder „[[Männlichkeit|männlich]]“ charakterisierten kulturellen Rollen in den westlichen Industriegesellschaften erschüttert und differenziert abwandelbar geworden. Als Grenzfall einer kulturellen Rolle ließ sich in den westlichen Gesellschaften die „“’totale Rolle“’“ ([[Klaus Allerbeck]]) der „[[Brauchtum (Studenten)|Studenten]]“ auffassen, die sich ab den 1970ern dann zu einer sozial differenzierten Rolle unter anderen veränderte. ===== Sozial differenzierte Rollen ===== [[Differenzierung (Soziologie)|Sozial differenzierte]] Rollen haben die meiste soziologische Aufmerksamkeit auf sich gezogen, zumal infolge der [[Arbeitsteilung]] und der daraus resultierenden zahlreichen [[Beruf]]srollen. In der US-amerikanischen Soziologie hat [[Robert K. Merton]] den bedeutsamen Unterschied zwischen dem “intra“personalen und dem “inter“personalen [[Rollenkonflikt]] herausgearbeitet. Intrapersonal muss sich zum Beispiel der Industriemeister in dieser Rolle zwischen den Erwartungen seiner Untergebenen und seiner Vorgesetzten seine persönliche Rolle ausformen und hat dabei nach Kurt Holm drei Rollen[[Idealtypus|typen]] zur Auswahl: (1) „Radfahrer“ = „nach oben buckeln, nach unten treten“, (2) „Kumpel“ oder (3) „wechselnde Parteinahme“, je und je sachlich-distanziert begründet. Interpersonal müsste er seinen eigenen Rollen-Kompromiss mit seinen anderen Rollen als Betriebsratsmitglied, Familienvater, Vereinsmitglied, Hobbybastler usf. finden. [[Ralf Dahrendorf]] hat den Unterschied zwischen den durch negative [[Soziale Sanktion|Sanktionen]] bewehrten „[[Rollenerwartung|Muss-Erwartungen]]“, den durch negative und positive Sanktionen charakterisierten „Soll-Erwartungen“ und den durch positive Sanktionen unterstützten „Kann-Erwartungen“ unterstrichen: Der Werkmeister “muss“ Korruption meiden, er “soll“ keine [[Bezugsgruppentheorie|Bezugsgruppe]] (Werksleitung, Belegschaftsmitglieder) nachhaltig unzufrieden machen, und er “kann“ persönlich verständnisvoll sein. Im Bereich differenzierter Rollen entsteht auch die [[Evidenz]], mit der der „[[Rolle (Theater)|Rollen]]“-Begriff aus dem [[Theater]] übernommen worden ist – hierzu vergleiche besonders [[Erving Goffman]], dem allerdings das „[[Theater]]“-Gleichnis mit „Vorderbühne“ und „Hinterbühne“ ein zentraleres Anliegen als der „Rollen“-Begriff ist. Doch beschrieb er beispielsweise genau den jähen „Rollen“-Wechsel eines [[Akteur]]s „auf der Bühne“ und „hinter den [[Soffitte]]n“ (“vgl.“ [[Rollendistanz]]) oder die ‚Nullrolle‘ etwa eines [[Lakai]]en, in dessen Gegenwart Adelige sich unterhalten, streiten, sogar intim werden, als ob er gar nicht da wäre (“vgl.“ [[Verachtung]]). ===== Situationale Rollen ===== [[Situation]]ale Rollen bilden sich je und je unvermutet, “{{lang|la|[[ad hoc]]}}“ heraus, wenn etwa ein Betrunkener sich in eine Beerdigung mischt. Trotzdem werden die dann entstehenden Rollenerwartungen, -normen und -sanktionen nicht jedes Mal völlig frei improvisiert. Sie sind durch unterschiedliche Gegebenheiten vorstrukturiert, wenn – im Beispiel eben – es plötzlich auf Geistesgegenwart, eine eher soziobiologische Mitgift, oder auf das Geschlecht, ein eher [[Pattern variables|kulturelles Muster]], oder auf den eher sozial differenzierten Beruf eines [[Akteur]]s ankommt. Situationen sind einerseits das Arbeitsgebiet sehr scharfäugiger soziologischer Beobachter, klassisch von [[Georg Simmel]], gegenwärtig von [[Roland Girtler]]. Andererseits ist die Untersuchung situationaler Rollenmuster eher die Aufgabe spezieller Soziologien, die sich mit sozialen Problembereichen befassen, so der [[Arbeitssoziologie]] (Studien von [[Konrad Thomas]]) und der [[Katastrophensoziologie]], wo dieses Feld von [[Wolf R. Dombrowsky]] behandelt worden ist. ===== Grenzbereich zwischen Soziologie und [[Biologie]] ===== Es gibt Rollen, die eng mit der [[Biosoziologie|(bio)soziologischen]] Tierhaftigkeit des Menschen verquickt sind, auch „[[Soziobiologie|biotische]]“ Rollen genannt. So kennen auch andere Primaten als der Mensch offenbar „den Großen“ oder „den Lauten“ und entwickeln in Gruppen besondere Verhaltensformen ihm gegenüber, wie auch er gegenüber den Anderen. Solche Rollen wurden in der [[Soziologie]] selten thematisiert, eine Ausnahme war [[Dieter Claessens]] in “Rolle und [[Macht]]“ und “Das Konkrete und das Abstrakte“. Für das Verhalten des Kleinkindes sind solcherlei Rollen vermutlich besonders bedeutsam, denn es hat die sozialen Rollen im engeren Sinn – also die kulturellen, differenzierten oder situationalen Rollen – noch gar nicht [[Internalisierung (Sozialwissenschaften)|internalisiert]]; „ein Fremder neben/über mir“ (der „[[Kinderschreckfigur#Der Schwarze Mann|Schwarze Mann]]“) erscheint ihm vermutlich einfach in der biotischen Rolle des gefährlichen [[Fressfeind]]es. Biotische Rollen können auch ein Berufsproblem sein, beispielsweise in der [[Palliativmedizin]] und der [[Thanatosoziologie]] beim Thema „der Sterbende“. ==== Kritik des Rollen-Begriffs ==== In [[akteur]]bezogenen, oft [[Mikrosoziologie|mikrosoziologisch]] fokussierten soziologischen Theorien wird das Konzept der „sozialen Rolle“ in aller Selbstverständlichkeit angewandt (vgl. [[#Literatur|Literatur]]). Distanziert bis ablehnend stehen ihm hingegen kollektivbezogene Theorien – zum Beispiel der [[Strukturfunktionalismus]] oder die [[Ethnomethodologie]] gegenüber. Denn sie fassen die stets notwendigen Rollen-Kompromisse der Akteure eher als ein Fehlverhalten oder als „[[Eurozentrismus|eurozentrisch]]“ auf und analysieren sie mit anderen Begriffen, etwa als „dysfunktional“ oder als „[[Kulturimperialismus|kulturimperialistisch]]“. Wo „Theorien der Gesellschaft“ von „soziologischen Theorien“ unterschieden werden, etwa im [[Marxismus]] oder in der [[Systemtheorie]], da wird „Rolle“ entweder als gefährlicher Konkurrenzbegriff vehement zurückgewiesen, oder er wird einfach übergangen: [[Frigga Haug]] beanstandete als Marxistin, dass sowohl die Geschichte der Gesellschaft und ihre ökonomischen Bedingungen als auch das [[dialektisch]]e Verhältnis zwischen Individuum und Gesellschaft mit dem Begriff „Rolle“ in das [[Individuum]] verlegt werden; die Theater[[metapher]] „Rolle“ erleichtere zudem die Selbsttäuschung. Rollenforderungen stellen demnach eine äußere Übermacht dar, bei der die Gefahr besteht, dass das Individuum sich in die „[[innere Emigration]]“ zurückzieht – “siehe dazu“ [[Rollendistanz]]. Gesellschaftliche Verhältnisse erscheinen dementsprechend fälschlich als unveränderbar. Eine systemtheoretische Auseinandersetzung mit dem Begriff der „Rolle“ steht noch aus. Die australische [[Männerforschung|Männerforscherin]] [[Raewyn Connell]] bemängelt am kulturellen Rollenbegriff, dass gerade „Männlichkeit“ gar kein Rollenverhalten, sondern eine “gesellschaftliche Praxis“ sei. In ähnlicher Weise spricht auch [[Pierre Bourdieu]] von einer “„Geschlechter-Praxis““ (einem geschlechtsspezifischen [[Habitus (Soziologie)|Habitus]]). == Literatur == === Einführung === * [[Karl-Heinz Hillmann]]: “Wörterbuch der Soziologie“. 5. Aufl. Kröner, Stuttgart 2007. ISBN 978-3-520-41005-4. “(Erstauflage 1972)“ === Klassische Studien === * [[Ralph Linton]]: “Mensch, Kultur, Gesellschaft“. Hippokrates-Verlag, Stuttgart 1979, ISBN 3-7773-0469-7. * [[Erving Goffman]]: “The Presentation of Self in Everyday Life.“ Doubleday & Company, New York 1959 ** Deutsche Ausgabe: “Wir alle spielen Theater. Die Selbstdarstellung im Alltag“. Aus dem Amerikanischen von Peter Weber-Schäfer. Piper, München, 1. Aufl. 1983; 10. Aufl. 2003, ISBN 3-492-23891-2. * [[Ralf Dahrendorf]]: “{{lang|la|[[Homo sociologicus]]}}. Ein Versuch zur Geschichte, Bedeutung und Kritik der Kategorie der sozialen Rolle“. 16. Aufl., Westdeutscher Verlag, Opladen 2006, ISBN 978-3-531-31122-7. “(Erstauflage 1965)“ * [[Dieter Claessens]]: “Rolle und Macht“. Juventa, München 1974, ISBN 3-7799-0137-4. “(Erstauflage 1968)“ * [[Uta Gerhardt]]: “Rollenanalyse als kritische Soziologie. Ein konzeptioneller Rahmen zur empirischen und methodologischen Begründung einer Theorie der Vergesellschaftung“. Luchterhand, Neuwied 1971, OCLC 1950340. * [[Rose Laub Coser]]: “Soziale Rollen und soziale Strukturen“, hgg. und eingeleitet von [[Lewis A. Coser]], dt. Ausgabe 1999, ISBN 3-901402-06-3 === Kritisch === * [[Frigga Haug]]: “Kritik der Rollentheorie“. Argument-Verlag, Hamburg 1994, ISBN 3-88619-222-9. “(Erstauflage 1973)“ * [[Holger Michaelis]]: “Soziale Rollen und objektive Notwendigkeiten – Eine Darstellung der Metamorphose der dem Handeln inhärenten Notwendigkeiten in sozialen Rollen“, München 2009, ISBN 978-3-640-30404-2 === Angewandte Rollentheorie === * Juri Hälker: “Betriebsräte in Rollenkonflikten. Betriebspolitisches Denken zwischen Co-Management und Gegenmacht“. Hampp, Mering 2004, ISBN 3-87988-800-0 ([http://www.hampp-verlag.de/ebooks.htm E-Book]). * Thomas Herrmann, Isa Jahnke, Kai-Uwe Loser: “Die Unterstützung von Rollenzuweisung und Rollenübernahme. Ein Ansatz zur Gestaltung von Wissensmanagement- und CSCL-Systemen“. In: Gerd Szwillus, Jürgen Ziegler (Hrsg.): “Interaktion in Bewegung“. Teubner, Wiesbaden 2003. == Weblinks == * [http://www.lorenzk.com/ethno/goffman.html Textausschnitte von Erving Goffman] == Einzelnachweise == {{Lesenswert|7. Mai 2007|31499192}} [[Kategorie:Soziale Rolle| ]] [[Kategorie:Sozialpsychologie]] [[Kategorie:Soziologische Theorie]] {{Normdaten|TYP=s|GND=4178413-3}}

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